Judith Schmitz

Judith Schmitz - Ihre Psychologische Beraterin im Kreis Heinsberg

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NEIN sagen - aber richtig!

Wollen wir mehr auf uns selbst achten und unser Leben von überfülltem Terminkalender und stressigen Verpflichtungen befreien, müssen wir lernen ab und zu auch mal „Nein“ zu sagen. Das fällt nicht immer leicht, insbesondere dann nicht, wenn wir uns der fragenden Person gegenüber verpflichtet fühlen – sei es emotional oder auf einer professionellen Ebene – oder weil wir denken, dass wir in ihren Augen keine gute Begründung für unsere Absage haben. Dennoch ist das Neinsagen wichtig, um uns und unsere Zeit zu schützen und unseren Terminen und Verpflichtungen nicht hinterherhetzen zu müssen. Es lohnt sich also, bei jeder neuen Aufgabe oder Verpflichtung, die an uns herangetragen wird, genau abzuwägen, ob wir sie annehmen möchten oder lieber doch ablehnen sollten, weil sie grade einfach nicht passt.

 

Neinsagen will gelernt sein – und genau darum soll es in diesem Artikel gehen. Wenn Sie sich das nächste Mal in der Situation befinden, dass in der KiTa die neue Elternvertretung gewählt werden soll oder ihre Kollegin Sie bittet, eine Aufgabe von ihr zu übernehmen, weil sie diese heute nicht mehr erledigt bekommt, können Sie nach dem hier beschriebenen Schema vorgehen und die für Sie passende Entscheidung treffen. 

Schritt 1: Bedenkzeit erbitten

Wenn jemand mit einem Anliegen an Sie herantritt, müssen Sie zunächst für sich abwägen, was ein „Ja“ für Sie bedeuten würde. Hierzu benötigen Sie Bedenkzeit, damit Sie sich nicht zu einer vorschnellen Antwort hinreißen lassen, die Sie später wieder bereuen. Je nach Anliegen ist es vollkommen legitim, wenn Sie sich ein paar Minuten oder auch einen Abend Zeit erbeten, um über die Anfrage nachzudenken. Anhand eines Beispiels möchte ich dies verdeutlichen:

Andreas fragt seine Nachbarin Franziska, ob sie drei Wochen lang seine Blumen gießen könne, während er im Urlaub ist. Aus einem ersten Impuls heraus würde Franziska direkt mit „Ja“ antworten, denn Blumen gießen sieht sie nicht als große Herausforderung an. Sie erbittet sich aber einen Abend Bedenkzeit, um darüber nachzudenken und möchte sich am nächsten Tag bei Andreas dazu melden. 

Schritt 2: Prüfen, ob Sie diese Aufgabe annehmen wollen oder nicht

Dies ist vielleicht der wichtigste Schritt: Sie müssen sich festlegen, wie Sie zu der Anfrage stehen. Hier helfen ein paar Leitfragen, anhand derer Sie prüfen können, ob Sie die Verpflichtung eingehen möchten und können oder nicht: 

Natürlich müssen Sie nicht bei jeder kleinen Bitte diesen Fragenkatalog abarbeiten, dennoch lohnt sich immer eine kurze mentale Prüfung, ob etwas dagegenspricht, die Aufgabe anzunehmen. Bittet Sie beispielsweise Ihre Tante, die nebenan wohnt, Ihnen ein Päckchen Butter vom Supermarkt mitzubringen und Sie fahren gleich sowieso noch einkaufen, reicht es aus, wenn Sie sich kurz fragen, ob etwas dagegenspricht, die Butter mitzubringen (wenn Sie beispielsweise nach dem Einkaufen noch ins Schwimmbad wollen und draußen sind es 30°C, sollten Sie die Anfrage Ihrer Tanten vielleicht ablehnen). 

 

In dem Beispiel von Franziska und Andreas zeigt der Blick in den Kalender Franziska, dass sie in diesen drei Wochen selber für ein verlängertes Wochenende mit ihrer Freundin verreisen wollte, und außerdem noch eine berufliche Fortbildung über drei Tage eingeplant ist. Hätte Franziska direkt mit „Ja“ geantwortet, wäre sie eine Verpflichtung eingegangen, die sie nicht hätte erfüllen können.

Schritt 3: Richtig Neinsagen

Hat die Prüfung aus Schritt 2 gezeigt, dass Sie die Aufgabe nicht annehmen wollen oder können, so müssen Sie dies dem Fragenden unmissverständlich mitteilen. Dennoch muss ein „Nein“, wenn es richtig formuliert wird, nicht verletzend wirken oder Ihre Beziehung zum Fragestellenden negativ beeinflussen. Viele Menschen machen sich auch Sorgen, dass sie durch ein „Nein“ egoistisch und wenig hilfsbereit wirken. Diese Sorge ist unbegründet, denn im Gegenteil kann ein richtig formuliertes „Nein“ Ihre Reputation stärken, da Sie als jemand wahrgenommen werden, der klar für seine oder ihre Prinzipien einsteht, und der verlässlich nur Verpflichtungen eingeht, die er oder sie auch erfüllen kann. Aber wie formulieren Sie ein „Nein“ richtig und wertschätzend? 

1. Die Situation des anderen wertschätzen, Interesse an seiner Bitte und Verständnis für sein Anliegen zeigen

2. Ein klares „Nein“ formulieren

3. Das „Nein“ begründen

4. Alternativen aufzeigen oder um Verständnis für das „Nein“ bitten. 

 

Im Beispiel von Franziska und Andreas würde das wie folgt aussehen:

 

Franziska spricht am nächsten Tag wieder mit Ihrem Nachbarn Andreas. Ihre Absage könnte wie folgt lauten: „Ich verstehe, dass du jemanden brauchst, der deine Blumen gießt, damit sie nach deinem Urlaub immer noch so schön blühen. Aber ich kann diese Aufgabe leider nicht übernehmen. Ich bin in den drei Wochen selber zweimal für mehrere Tage unterwegs. Das würden deine Blumen nicht überleben. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Matthias von Gegenüber diese Aufgabe gerne übernehmen würde. Vielleicht fragst du ihn mal.“

 

Franziska hat in ihrer Antwort zunächst Verständnis gezeigt („Ich verstehe, dass du jemanden brauchst, der deine Blumen gießt, damit sie nach deinem Urlaub immer noch so schön blühen.“) und damit Wertschätzung für das Anliegen von Andreas geäußert. Dann hat sie aber ganz klar ihr „Nein“ formuliert („Aber ich kann diese Aufgabe leider nicht übernehmen“) und begründet („Ich bin in den drei Wochen selber zweimal für mehrere Tage unterwegs. Das würden deine Blumen nicht überleben“). Damit zeigt sie, dass sie sich Gedanken darüber gemacht hat, ob sie die Aufgabe übernehmen kann und nicht kategorisch ablehnt. Die Beziehung zwischen Franziska und Andreas wird also durch das „Nein“ nicht belastet, da es sich ganz klar um eine Ablehnung der Aufgabe und nicht um eine Ablehnung der Person (in diesem Fall von Andreas) handelt. Abschließend formuliert Franziska auch noch eine Alternative („Ich könnte mir aber vorstellen, dass Matthias von Gegenüber diese Aufgabe gerne übernehmen würde. Vielleicht fragst du ihn mal.“).

 

Wenn Sie sich das nächste Mal in einer Situation befinden, in der Sie „Nein“ zu etwas sagen möchten, sich aber nicht trauen, weil Sie Angst haben, die Beziehung zum Fragenden zu belasten, formulieren Sie das „Nein“ zunächst für sich selbst. Wenn Sie unsicher sind, bitten Sie eine andere Person, sich Ihr „Nein“ einmal anzuhören und Ihnen ehrliches Feedback zu geben. Wenn Sie es ein paarmal geübt haben, wird Ihnen die Formulierung eines wertschätzenden „Neins“ immer leichter fallen.

Haben Sie aber jetzt schon zu viele Aufgaben in Ihrem Terminkalender stehen und hetzen nur noch von einem Termin zum anderen, empfehle ich Ihnen den Blogartikel zum Thema „Identifikation von Stressoren

 

Gerne können wir auch in einem Einzelgespräch auf Ihre individuelle Situation schauen. Melden Sie sich hierzu einfach bei mir. 

Quelle:

Bauer, Tanja (2008): Die Kunst, freundlich Nein zu sagen. Konsequent und positiv durch Beruf und Alltag (4. Auflage). München: Redline Verlag.