Judith Schmitz

Judith Schmitz - Ihre Psychologische Beraterin im Kreis Heinsberg

Judith Schmitz - Ihre Psychologische Beraterin im Kreis Heinsberg

Abschalten trotz ständiger digitaler Erreichbarkeit?!

Wie viel Zeit nimmt die Arbeit tatsächlich in meinem Leben ein und wie geht es mir damit? In diesem Artikel befassen wir uns mit der aktiven und der mentalen Arbeitszeit, also der Zeit, die wir auch gedanklich noch bei der Arbeit sind, auch wenn wir aktiv vielleicht schon etwas anderes tun. Mit dem Arbeitstagebuch erlernen wir eine einfache Methode, mit der wir die Arbeitszeit auf verschiedenen Ebenen erfassen und bewerten, um so Potenzial für einen gelasseneren (Arbeits-)Alltag aufzuzeigen.

Mythos "Work-Life-Balance"

Der Mythos der „Work-Life-Balance“ ist spätestens seit Corona und der Einführung des Home-Office für fast jeden Arbeitnehmer überholt. Denn die Lebensbereiche vermischen sich immer mehr. Auch wenn viele Menschen zumindest zeitweise ins Büro zurückgekehrt sind, so ist es doch (wieder) normaler geworden, den Laptop mit nach Hause zu nehmen und auch abends noch schnell die Mails auf dem Sofa zu checken oder eine Präsentation für den nächsten Tag zusammenzuklicken. Eine klare Abgrenzung zwischen Arbeit und „Leben“ gibt es nicht. Und wenn das Leben nur nach der Arbeitszeit beginnen würde, würden wir dann einen großen Teil unserer Lebenszeit gar nicht mit „leben“ verbringen? Natürlich ist es praktisch, sich den Arbeitsweg oder das Bügeln der Arbeitsgarderobe für den nächsten Bürotag zu sparen und für arbeitende Eltern lässt sich die Kinderbetreuung leichter organisieren, wenn die Arbeitszeiten flexibler sind. Dennoch stellt sich die Frage, ob es dann so etwas wie „Feierabend“ überhaupt noch gibt – nicht nur im physischen sondern insbesondere auch im psychischen Sinne. Können wir überhaupt noch abschalten und uns dem „Privaten“, uns selbst oder dem Nichtstun widmen?

Es wird zumindest immer schwieriger – durch ständige digitale Erreichbarkeit und mobile Arbeitsplätze (die oft diese Bezeichnung nicht verdienen, da es sich nur um den Küchentisch oder einen Platz auf dem Sofa handelt) können wir theoretisch rund um die Uhr erreichbar und einsatzbereit sein. Hier gilt es, sich die Frage zu stellen, was das mit uns macht? Diese Frage muss jede*r für sich individuell beantworten, denn die Antwort kann durchaus unterschiedlich sein. Während einige sehr gut zwischendurch abschalten und auch dann, wenn sie abends noch ein paar Stunden E-Mails beantwortet haben, ruhig schlafen können, sind andere im Feierabend durchweg angespannt und warten nur auf die nächste Mail von ihrer oder ihrem Vorgesetzten.

Hinzu kommt auch noch die mentale Komponente, also wie viel denken wir noch an und über die Arbeit nach, auch wenn wir uns eigentlich aktiv mit etwas anderem beschäftigen. Auch hier gibt es unterschiedliche Menschentypen: für manche endet die mentale Arbeit mit dem Verlassen des Arbeitsplatzes oder dem Zuklappen des Laptops, andere denken weiterhin über die Arbeit und ihre Aufgaben nach, während sie ihre Kinder ins Bett bringen oder das Abendessen zubereiten.

Klarheit bekommen durch ein Arbeitstagebuch

Um herauszufinden, wie sehr diese Verschiebung der Arbeitszeiten und die ständige digitale Erreichbarkeit als verlängerter Arm des Arbeitgebers mich selbst belasten, gilt es, achtsam zu sein und gut auf mich selbst zu achten. Eine Möglichkeit ist, über einen bestimmten Zeitraum ein Arbeitstagebuch zu führen. Hierbei handelt es sich nicht um die normale Arbeitszeiterfassung für den Arbeitgeber, sondern darum, ehrlich mit mir selbst die Zeiten aufzuschreiben, in denen ich auf der einen Seite aktiv gearbeitet habe, aber auch die Zeiten, in denen ich mich gedanklich noch mit Arbeitsthemen beschäftigt habe. Zu der mentalen Arbeitszeit gehören auch das Nachgrübeln über Teamkonflikte, Gespräche mit dem oder der Vorgesetzten oder auch das Umplanen des Familienalltags aufgrund spontaner beruflicher Termine.

Im Rahmen dieses Arbeitstagebuchs kann ich als Erweiterung aufschreiben, was ich grade aktiv getan habe, während ich mich gedanklich aber noch mit der Arbeit beschäftigt habe. Zusätzlich hilft es, kurz in mich hineinzuhorchen und zu notieren, wie ich mich während der aktiven aber auch während der zusätzlichen gedanklichen Arbeitszeit gefühlt habe. War ich entspannt oder gestresst, ruhig oder hektisch? War es für mich ok, dass ich gedanklich bei der Arbeit war oder habe ich mich selbst dabei erwischt und mich danach schlecht gefühlt?

 

So könnte solch ein Eintrag beispielsweise aussehen. Es bietet sich an, sich einmal am Tag, vielleicht vor dem Schlafengehen, Zeit zu nehmen und das Arbeitstagebuch für den Tag auszufüllen.

Führe ich dieses Arbeitstagebuch nun über einen gewissen Zeitraum, beispielsweise 2-3 Wochen, so werden meist schnell Muster deutlich. Zum einen verdeutlicht mir das Arbeitstagebuch, zu welchen Uhrzeiten ich entspannt aktiv arbeite. Das sind normalerweise die regulären Arbeitszeiten, aber auch wie in diesem Beispiel die Zeit abends zwischen 20 und 22 Uhr. Es kann mir aber auch zeigen, wann ich aktiv arbeite, ich aber eigentlich gerne etwas anderes tun würde und deswegen gestresst bin.

Zum anderen zeigt mir dieses Arbeitstagebuch meine mentale Arbeitszeit auf. Wann beschäftige ich mich gedanklich besonders stark mit der Arbeit? Wie fühle ich mich dabei? Und weitergehend kann ich mir die Frage stellen: Was bringt mir die mentale Beschäftigung mit der Arbeit? Bringt sie mich weiter, weil mir gute Ideen kommen, die ich später umsetzen kann oder stresst sie mich nur weil ich grübele, ohne zu einer Lösung zu kommen?

Raum für Veränderung: Was genau stört mich?

So öffnet das Arbeitstagebuch Raum für Veränderung und Verbesserung – im Bereich der mentalen wie auch der aktiven Arbeit. Wenn ich mir das Arbeitstagebuch der letzten 2-3 Wochen anschaue und merke, dass ich mit meiner Arbeitszeit (aktiv und/oder mental) unzufrieden bin, dann muss ich etwas genauer hinschauen:

 

Bin ich unzufrieden mit der aktiven Arbeitszeit? Dann kann dies verschiedene Gründe haben, die natürlich auch in meiner individuellen Tätigkeit liegen können:

 
 -> Ich verbringe deutlich mehr Zeit aktiv mit der Arbeit (im Büro oder abends im Homeoffice) als ich möchte. Für diese Extrastunden werde ich vermutlich nicht   (angemessen) bezahlt und vielleicht werden sie auf der Arbeit auch nicht wertgeschätzt.

-> Ich bin gestresst, wenn ich mich aktiv mit der Arbeit beschäftige, weil ich eigentlich etwas anderes machen möchte oder müsste.

-> Ich bin während meiner aktiven Arbeitszeit gestresst, weil meine Aufgaben meine Arbeitszeit und/oder meine Kompetenz stark übersteigen.

 

Bin ich unzufrieden mit der Zeit, die ich mich gedanklich mit der Arbeit beschäftige? Dann können eine oder mehrere dieser Begründungen zutreffen:

  1.  -> Ich denke deutlich mehr an die Arbeit als ich möchte, auch wenn diese mentale Arbeit vielleicht sogar zu neuen Ideen und Einfällen führt.
  2.  -> Ich beschäftige mich mental mit der Arbeit zu Zeiten, zu denen ich eigentlich grade etwas anderes aktiv tue. Diese mentale Beschäftigung mit der Arbeit hält mich davon ab, voll in meiner aktiven Beschäftigung aufzugehen und im Moment zu leben.
  3.  -> Die mentale Arbeit hindert mich daran, abzuschalten und runterzufahren. Sie versetzt mich in Stress.
  4.  -> Die Zeit, in der ich mich gedanklich mit der Arbeit beschäftige, bringt mich nicht weiter, da sich meine Gedanken nur im Kreis drehen und ich mich mit Teamkonflikten oder anderen Problemen beschäftige, die ich aber so nicht lösen kann.
  5.  

Wenn ich selber weiß, warum ich mit meiner aktuellen aktiven und/oder mentalen Arbeitssituation unzufrieden bin und die Gründe hierfür kenne, kann das allein schon Türen für Verbesserungen öffnen, die ich in meiner individuellen Lebensrealität einbauen kann.

 

Natürlich gibt es auch ein paar allgemeingültige Empfehlungen, die in meinem nächsten Artikel ein bisschen näher erläutert werden sollen. Dennoch ist es meistens am sinnvollsten, sich die individuelle Situation genauer anzusehen und maßgeschneiderte Lösungen zu finden, anstatt zu versuchen, allgemeine Tipps umzusetzen, die aber vielleicht gar nicht zur eigenen Lebensrealität passen. Wenn Sie also das Gefühl haben, die Arbeit nimmt immer mehr Raum und Zeit in Ihrem Leben ein und Sie benötigen Unterstützung, etwas zu verändern um Ihren individuellen Weg zu finden, melden Sie sich gerne bei mir. Gemeinsam schauen wir uns dann Ihre Arbeitsrealität sowie Ihre Lebensumstände an und erarbeiten für Sie passende Alternativen, wie Sie zufriedener durch den (Arbeits-)alltag gehen können.